Kurt Schelter

Beiträge

Zur Jahreswende 2023/2024 Ein „Pakt für Deutschland“? Abschieben im Großen Stil (2023) Zur Jahreswende 2022/2023 Die „Soziale Dimension“ Europas Der Klimawandel Providing Energy as a Transnational Obligation Ukraine heute: 31 Jahre Unabhängigkeit Ukraine today: 31 Years of Independence Demokratisierung der Verbände (1976) The German dilemma Mein 1946 (2021) Transatlantic relations… (11/2016) Constitutional Project (3/2016) Migration (3/2016) Die griechische Tragödie (7/2015) Europäische Union ein Raum der Freiheit der Sicherheit und des Rechts, auch für Flüchtlinge! (4/2015) 20 Jahre Schengen (3/2015) Border Security (2015) Freedom, Security and Justice (2013) Critical size (2013) Festschrift Schimpff (2012) Das Europäische Haus braucht starke Fundamente und eine strikte Ordnung (2011) Kritische Größe (2011) Erfahrung schwindet (2011) La Mesa Redonda: Los Retos del nuevo Tratado de Lisboa (2010) The Schengen Cooperation (2010) Illegitim trotz Verfahren (2010) Respekt und Disziplin (2010) Karlsruhe und die Folgen (2009) Leistung (2008) Die Renaissance des Staates (2008) Die Sozialhilfe in der Entwicklung des Sozialrechts II (2006) Die Sozialhilfe in der Entwicklung des Sozialrechts I (2005) Die Idee von Schengen (2004) Der Raum der Freiheit (2002) Osterweiterung (2002) Die globale Verantwortung der Europäischen Union (2002) Die soziale Dimension des erweiterten Europas (2002) Sicherheit und Zusammenarbeit in einem erweiterten Europa (2002) Helsinki (2001) Dienstbereitschaft und richterliche Unabhängigkeit (2000) Die Verdienste der Vertriebenen um Europa (2000) Schengen und die EU (1999) Das Dubliner Übereinkommen im Praxistest (1998) Maßnahmen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in Europa (1998) Asyl und Migration (1998) Gutes Recht braucht Tatsachen (1998) Illegale Einwanderung und Sicherheit in Europa (1998) Internationale Zusammenarbeit (1997) Die Verbindung zwischen Ausländerschleusung (1997) International Terrorism: Are We Cooperating Enough? (1996) Improving Cooperation in Justice and Home Affairs (1996) Das Subsidiaritätsprinzip und die Regierungskonferenz (1996) Internationaler Terrorismus und Organisierte Kriminalität (1996) International Terrorism (1996) Refugee return – when and how? (1996) Bekämpfung Organisierter Kriminalität als Herausforderung für Europa (02.1996) Das deutsche Asylrecht nach der Entscheidung von Karlsruhe Innenpolitische Zusammenarbeit in Europa zwischen Maastricht und Regierungskonferenz 1996 Anforderungen an ein europäisches Asylrecht (1995) Asylgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland (1994) Migration an der Ostgrenze der Bundesrepublik Deutschland (1994) Das Grundrecht auf Asyl (1994) Der demokratische Rechtsstaat (1994) Zuwanderung (1994) The Role of a Reunified Germany in Combating Transnational Crime (1994) Europa der Regionen (1993) Quo vadis Europa (1993) Gast im eigenen Haus (1993) Die Rolle der Regionen bei der Weiterentwicklung Europas (1993) Föderalismus und Subsidiarität - Architekturprinzipien eines geeinten Europas (1992) Committee of the Regions (1992) Polen im europäischen Integrationsprozeß (1992) Maastricht und das Europa der Kulturen (1992) EU-Cultural Society Vielfalt in der Einheit Die Justiz als Standortfaktor (1991) Wirtschaftliche Kooperation (1991) Föderalismus und Subsidiarität (1990) Europa muss sich so darstellen, dass es die Bürger begreifen können Tradition und Fortschritt (1989)

Zur Jahreswende 2023/2024

Schlechte Nachrichten weltweit

Auch im abgelaufenen Jahr ist die Erde von Katastrophen heimgesucht und mit vielen weiteren schlechten Nachrichten konfrontiert worden: Es gibt nach wie vor einen Aggressor in Europa, der den Krieg auf diesen Kontinent zurückgebracht hat und die internationale Friedensordnung bedroht. Der Terror bleibt eine ständige, allgegenwärtige Bedrohung. Naturkatastrophen bestimmen täglich die Medien...



Der Klimawandel beherrscht die nationale und die internationale Politik, zuletzt in Dubai. So schlecht die Daten in diesem Bereich auch sind – Es kann nicht darum gehen, jetzt, sofort, ohne Verzug, alles tun, „die Welt zu retten“ und dabei alles andere, was für ein friedliches Zusammenleben auf dieser Erde nötig ist, zu vernachlässigen, ja bewusst und gewollt zu ignorieren.


Deshalb müssen wir die globalen Herausforderungen im Blick behalten, uns aber vor allem darum bemühen, dass wir die Probleme in unserem Land, die 82 Mio. Bürger tagtäglich beschäftigen, nicht aus den Augen verlieren. Sie reichen von der Gesundheitsversorgung, dem Bereich des Verkehrs, der Landesverteidigung, der Energiewende, der Digitalisierung, dem Wohnungsmangel, dem Bildungsbereich, der Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik, der Lage unserer Wirtschaft bis zur Migration.


Dabei kann es bei der Gewinnung des dafür erforderlichen Muts, der dafür nötigen Zuversicht, Kraft und Energie hilfreich sein, sich immer wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, dass der Mensch im Lauf seiner Geschichte auf dieser Erde den Fortschritt erfunden hat. Aber Fortschritte waren und sind keine Garantie dafür, dass wir ständig in der Lage sind, deren Umsetzung im Alltag zu garantieren. Denn dies stößt an personelle, finanzielle, politische und ideologische Grenzen. Die Grenzen müssen wir überwinden und das ist eine tägliche Aufgabe für uns alle, nicht nur für die Politik.


Wer die politische Diskussion und die Resonanz in den Medien in diesem Jahr verfolgt hat, wird feststellen, dass es keinen „Common Sense“ in unserem Land gibt, wie und mit welcher Priorität die uns derzeit belastenden Probleme beseitigt werden sollen. Es kann also auch hier nur eine ganz persönliche Antwort geben:


Ich möchte, dass...

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At the turn of the year 2023/2024

Bad news around the world

In the past year, once again, our world has been hit by disasters and confronted with sad news: There is still a brutal aggressor in Europe, who has brought back war to this continent and threatens international peace. Terror remains a constant, ever- present threat. Natural disasters got daily headlines.


Climate change is dominating national and international politics, most recently at COP 28 in Dubai. As alarming as these data are, it cannot be a matter of doing everything now, immediately, without delay, to "save the world" and neglecting, even consciously and willingly ignoring, everything else that is necessary for peaceful coexistence on this planet.


That is why we must keep an eye on global challenges, but above all we must try not to lose sight of the problems in our countries, which concern millions of citizens every day. They range from health care, transport, national defence, the energy transition, digitalisation, the housing shortage, education, labour market and the state of our economy to migration.


To gain the necessary courage, confidence, strength and energy, it can be helpful to remember again and again that man invented “Progress” on this planet in the course of his history.


But progress has not been and is no guarantee that we will always be able to manage its implementation in everyday life. This is because it comes up against personal, financial, political and ideological limits.

We have to overcome this limit and this is a daily task for all of us, not just for politicians.


Anyone who has followed the political discussion and the response in the media this year will notice that there is no "common sense" as to how and with what priority the problems that currently burden us, should be eliminated. So, there can only be one very personal answer:


I want us to...

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… aus den Fugen …

Zur Jahreswende 2022/2023

Am Ende dieses Jahres mutet die Bemerkung des Bundeskanzlers, wir stünden vor einer „Zeitenwende“, recht pathetisch und zugleich verharmlosend an. Denn die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein.


Eine Krise jagt die nächste:

  • Weltweit gibt es derzeit 28 Kriege und bewaffnete Konflikte und es gibt Krieg in Europa, keinen Bürgerkrieg, sondern den brutalen, verbrecherischen Angriffskrieg einer nuklearen Großmacht mit dem Ziel, einen Nachbarstaat zu vernichten.
  • Dieser Krieg hat in seiner Konsequenz zu einer weltweiten Ernährungskrise, einer Energiekrise und Wachstumseinbußen, verbunden mit hoher Geldentwertung geführt.
  • Eine Pandemie lässt die Welt nur langsam aus ihrem Griff. Sie hat weltweit Millionen Menschenleben gefordert und die Gesundheit von noch weit mehr Menschen langfristig beschädigt.
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... out of joint ...

At the turn of the year 2022/2023

At the end of this year, the German Chancellor's remark that we are facing a „turning point" seems quite pathetic and at the same time trivializing. Because the world seems to be out of joint.


One crisis follows another:

  • There are currently 28 wars and armed conflicts worldwide and there is war in Europe, not a civil war, but the brutal, criminal war of aggression of a nuclear superpower with the aim of destroying a neighboring state.
  • As a consequence, this war has led to a worldwide food crisis, an energy crisis and growth losses, combined with high currency devaluation.
  • A pandemic is slow to let the world out of its grip. It has claimed millions of lives worldwide and damaged the health of many more people in the long term.
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Die „Soziale Dimension“ Europas

Am 24. Februar 2022 haben sich nicht nur die geopolitischen und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen in Europa und weltweit verändert. Der Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine, die anschließenden tiefgreifenden Sanktionen der Europäischen Union und anderer Staaten gegen den Aggressor und dessen Gegenmaßnahmen haben mittelbar auch drastische Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, die internationale Finanzpolitik und die Haushalte der EU und Deutschlands. Damit haben sich auch die Herausforderungen an die Sozialpolitik in Deutschland und in der EU erheblich vergrößert, vor allem mit Blick auf die drastische Erhöhung der allgemeinen Lebenshaltungskosten und der Preise für Energie.

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Der Klimawandel –

Eine Herausforderung für den Katastrophenschutz... und Jedermann.

In der weltweiten Debatte über den Klimawandel seit Genf 1979 haben sich in den letzten Jahren zwei Erkenntnisse herauskristallisiert:


Wir müssen den Klimawandel eindämmen und uns in unserem täglichen Leben an die bereits eingetretenen Veränderungen des Klimas und deren Konsequenzen anpassen.


Diese Konsequenzen bestehen vor allem in immer häufiger und immer heftiger auftretenden Naturkatastrophen, vor allem

  • monatelanger Trockenheit nicht nur in Wüstenregionen, mit katastrophalen Auswirkungen für die Versorgung mit Trinkwasser, für die Landwirtschaft und Waldbränden mit bisher unbekannter Ausdehnung und Dauer;
  • langanhaltenden, starken Regenfällen;
  • Hurrikans und Tornados, auch in bisher als sicher eingestuften Regionen;
  • überraschend auftretenden, massiven Flutkatastrophen auch in bisher nicht als
  • risikoreich angesehenen Gegenden.
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Climate change –

A challenge for civil protection... and everybody.

In the global debate on climate change since Geneva in 1979, two findings have emerged in recent years:


We need to mitigate climate change and adapt our daily lives to the climate changes that have already occurred and their consequences.


These consequences consist above all in the increasingly frequent and severe occurrence of natural disasters, in particular:

  • Drought not only in desert regions, with catastrophic effects on the supply of drinking water, agriculture and forest fires of unprecedented extent and duration.
  • Persistent, heavy rainfall.
  • Hurricanes and tornadoes, including in regions previously considered safe.
  • Surprising, massive flood disasters even in areas not previously considered risky.
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Providing Energy as a Transnational Obligation

The complete speech has been delivered in 2007. It shows that the situation of the energy sector , especially in Europe, was quite clear to all dealing with energy already 15 years ago. But it shows also that it is a long and difficult way from realizing the facts and the needs, to action.


Energy is the biggest challenge of the new century. Economy, welfare, and health of humankind depend on the supply of energy based on affordable prices. But we have learned that the carbon- and fuel-based energy supply is not an endless option and has enormous risks for environment and climate. So, we must face even the biggest dilemma of this century.


National approaches for solving this problem are not an option. In Germany, the acting government has put great emphasizes on all questions concerning energy. In the “Coalition Treaty” of 2005 the hit world “Energy” can be found almost one hundred times. And the key message was the following:


„Wesentliche energiepolitische und energiewirtschaftliche Weichenstellungen werden zunehmend international getroffen. Wir werden daher insbesondere auf die Formulierung energiepolitischer Rahmenbedingungen in der EU und in internationalen Gremien aktiv einwirken und dabei die Innovationsfähigkeit unserer Volkswirtschaft in den Mittelpunkt stellen. Wir setzen uns für europäische Strategien zur nachhaltigen und preisgünstigen Energie- und Rohstoffversorgung ein.“

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Ukraine heute: 31 Jahre Unabhängigkeit

Mit bangen Blicken schauen wir heute nach Kiew: Für unsere Freunde in der Ukraine ist dieser Tag ein Tag der Freude, der Angst und der Hoffnung.


Die Erinnerung an den Tag der Freiheit vom sowjetischen Joch wäre bei dem vor 31 Jahren von allen erwarteten Lauf der Geschichte ein Grund zur Freude. Aber die Geschichte hat dieses geschundene Land im Osten Europas leider wieder in existenzielle Bedrängnis gebracht.


So ist dieser Tag für seine Bürger vor allem ein Tag der nationalen Selbstbehauptung, des entschlossenen, unbeugsamen Widerstands gegen den russischen Aggressor und des Bekenntnisses zu ihrer Zukunft in einem freien, vereinten Europa.


Und für uns?


Für alle, die Freiheit, Sicherheit, die Herrschaft des Rechts und Frieden auf dieser Erde wollen, ist dieser Tag eine dringende Mahnung, die Menschen in der Ukraine nicht allein zu lassen, dem Aggressor und all seinen Unterstützern gemeinsam und entschlossen entgegenzutreten.



Dann kann der 24. August 2023 vielleicht wieder ein ungetrübter Tag der Freude für eine freie und souveräne Ukraine, für Europa und alle Menschen auf dieser Erde werden.

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Ukraine today: 31 Years of Independence

Today we look at Kiev with trepidation: For our friends in Ukraine, this day is a day of joy, fear and hope.


The memory of Freedom Day from the Soviet yoke would be a reason to rejoice in the course of history expected by everyone 31 years ago. But history has unfortunately brought this tormented country in eastern Europe back into existential distress.


For its citizens, this day is above all a day of national self-assertion, of determined, indomitable resistance against the Russian aggressor and of commitment to their future in a free, united Europe.


And for us?


For all who want freedom, security, the rule of law and peace on this earth, this day is an urgent reminder not to leave the people of Ukraine alone, to face the aggressor and all his supporters together and resolutely.


Then August 24, 2023, may once again be an untroubled day of joy for a free and sovereign Ukraine, for Europe and all people on this earth.

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Demokratisierung der Verbände?

Demokratie als Ordnungsprinzip in privilegierten Interessenverbänden. Diss. jur., Duncker & Humblot, Berlin 1976 

Diese Arbeit soll zur Lösung des noch immer offenen Problems der inneren Struktur von Interessenverbänden beitragen und auf die dringende Notwendigkeit eines Verbändegesetzes aufmerksam machen. 

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The German dilemma 

The Russian aggression in the Ukraine finds Germany in a manyfold dilemma: The German – Russian relations have been quite special over the last centuries – positive, but catastrophic as well. There is a special relation of the Social Democrats in Germany with Russia since decades until today. This lead to a naïve trust in the dignity and truthfulness of a dictator in disguise and a quite disastrous performance of Germany in the Ukraine war. 

The German - Russian relations in history

For centuries Germany and Russia have had very close relations in many aspects:

- Royal dynasties,

- science,

- economy,

- culture,

- people (migration),

- military alliances, support, and corporation,

- etc.

World War I was ended by a special peace agreement between Soviet-Russia and Germany in Brest-Litovsk of 3. March 1918. The post war relations between Soviet-Russia and Germany were framed by the Treaty of Rapallo of 16. April 1922, which was the basis of a series of secret deals concerning economy, resources, technology, and military cooperation. Until Hitler came into power in 1933, there was a very close relation between German and Russian military with training centres in Russia for the German Reichswehr. 

Hitler’s aggression of 1941 cost Russia around 30 million casualties amongst citizens and soldiers and around 6 million amongst Russian prisoners of war. And very often forgotten: In the Ukraine the German aggression took around 8 million lives. German tanks were one of the most important military weapons in this war… 

For nearly 50 years tens of thousands of Russian soldiers served in the former GDR. They left the country with thousands of tanks at the end of 1994. Thousands of Russian soldiers stayed for instance in Berlin together with their families. Today around 250,000 Russians live in Germany together with 3.5 million “Russians” of German origin (former migrants to Russia in the first half of 19th century, so-called “Rußlanddeutsche”).

Against this historical background historians claim that peace in Europe is only possible if Germany has peaceful relations with France and…Russia!

We should keep this in mind, talking about Germany’s “performance” during this war in the Ukraine. 

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MEIN 1946

Victor Sebestyen hat sein im Jahr 2014 erschienenes Buch über das Jahr 1946 „…The Making oft the Modern World“ überschrieben. Hat er Recht damit? Ein Rückblick auf die Teile der Welt, die wir aus Europa gut überblicken können, scheint es zu bestätigen:


- Die erste Generalversammlung der Vereinten Nationen wird am 10. Januar durch Paul Henri Spaak in London eröffnet.

- Am 17. Januar findet die erste Sitzung des UN-Sicherheitsrats statt.

- Am 15. März prägt Winston Churchill den Begriff des „Eisernen Vorhangs“ in einer Rede in Fulton/Missouri.

- Die Weltbank wird am 18. März gegründet.

- Am 18. April löst sich der Völkerbund auf. Seine Aufgaben übernehmen die Vereinten Nationen.

- Die “Republik Italien“ wird am 18. Juni proklamiert.

- Die Urteile des Nürnberger Prozesses werden am 30. September verkündet.

- Am 4. November wird die UNESCO, am 11. Dezember die UNICEF gegründet.


Dieser Neubeginn hat auch die uns näheren Lebensumstände geprägt: „Mein 1946“ beginnt am 26. September. Und jetzt, 75 Jahre später, ein Rückblick:


- In meinem Geburtsort schickt am 14. März Wilhelm Schaeffler, ein Topmanager vor dem Krieg und auch während des Krieges, jetzt ein Kleinunternehmer, der mit der Fertigung Handwagen ein dringendes Transportbedürfnis der Bürger in ganz Deutschland bedient („Schaeffler-Wagen“), ein Telegramm, das überliefert ist. Er bittet den Bürgermeister von Herzogenaurach um ein Gespräch über zukünftige Geschäftsbeziehungen – die Geburtsstunde des späteren Weltkonzerns „Wilhelm Schaeffler AG“.


- Über die Porzellanmanufaktur Heinrich & CO in Selb wird am 1. Januar eine Festschrift zum 50. Gründungsjubiläum veröffentlicht. Das Unternehmen beginnt in diesem Jahr, wie die Kunstabteilungen der Rosenthal AG und der Firma Hutschenreuther, in Selb wieder mit der Produktion von höchstwertigem Porzellan, das bis heute unter Sammlern begehrt ist. Der Wiederaufstieg der Porzellanindustrie und die Blüte der „Porzellanstadt Selb“ beginnen. Beides wird leider nicht von Dauer sein.

- Am 6. Juli wird in Selb wieder Fußball gespielt: Ein Freundschaftsspiel FK 09 Selb gegen die Spielvereinigung Bayreuth.

- Am 2. Dezember stimmt das Volk von Bayern über die Verfassung des Freistaates ab.



Im zerstörten Deutschland gibt es wieder erste Anzeichen für ein Wiedererstehen von

„normalem“ Leben:


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“The United States of America after the Elections - Challenges, Threats, Dangers Or Chances For the Transatlantic Relations?”

The “Schengen-Cooperation” according to the Lisbon Treaty1


25. März 2015

Some historians noted it and the media recorded it: This result of the election in the US, published on 11/9/16 is said to be an event which has shaken the United States of America similar to 9/11/2001.


Comparisons are always dangerous and problematic. This applies in particular to this one: On 9/11/2001 a terrorist attack has taken place. On 11/9/2001 the voters in the US went to bed or woke up with some surprise and incredulous amazement: The “underdog” won a democratic election. This is quite a difference.


The new President will have to deal with a Nation, a State and its citizens, which are in trouble: The society of the United States is deeply divided: There is a diverse antagonism between Rich and Poor, West Coast, East Coast and Midwest, the Cities and rural areas, between White and Colored, old and new jobs, Educated and Uneducated, Employed and Unemployed, between self responsibility, social welfare and social security.


This torn society feels threatened by problems, like the following (according to Gallup, December 2-6, 2015 Poll):

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“European Union - The Constitutional Project”

Reflecting once again about a Constitution for the European Union presupposes to start with the Question:

 

What is the legal nature of the European Union?

 

o  a State,

o  a Federation or

o  a Confederation?

 

Member States in the Treaty on European Union (Article 1) have established “among themselves a EUROPEAN UNION … on which the Member States confer competences to attain objectives they have in common.”

 

So “the Union” is founded as a supranational entity, ”on the values of respect for human dignity, freedom, democracy, equality, the rule of law and the respect for human rights… These values are common to the Member States in a society in which pluralism, non-discrimination, tolerance, justice, solidarity and equality between women and me prevail” (Art. 2).

 

The Union is founded to “continue the process of an ever closer union among the peoples of Europe, in which decisions are taken as closely as possible to the citizen in accordance with the principle of subsidiarity… an in view of further steps to be taken in order to advance European integration” (Preamble).

 

Following the “Principle of conferral” all competences the constitutional bodies of the EU have, are granted just by the Treaties on the basis of parts of national sovereignty shifted to the EU by the Member States.

 

As far as EU (Commission) does not have executive powers itself, the execution of EU-measures decided by the constitutional bodies of the EU (Council, Parliament and Commission) depend on the willingness and solidarity of the Member States.

 

What does this mean for current problems and problems recently?

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Migration in the absence of internal borders McGill

McGill University Montréal

February 22th 2016

 

Migration in the absence of internal borders – A big challenge for the Schengen area

Migration in Europe since 1945 (facts and figures):

 

-       Wave of refugees  and expulsion  after World War II

14 Million refugees and displaced persons from eastern Europe, especially former German territory (for example Baltic States, East Prussia, Silesia, Sudetenland) to Germany

 

-       Return of persons of German origin from Russia, Kazakhstan, Ukraine, Rumania, Hungary, Poland, Czech Republic, Yugoslavia etc.  

4.5 Million Repatriates (“Aussiedler”) from 1950 to 2005

 

-       Immigrant workers from outside the EEC and EEC-internal migration

In Germany from 1955 to 1973 around 2.6 Million immigrant workers from Turkey, Morocco, Tunisia, Spain, Greece, Portugal, Yugoslavia on the one hand and Italy on the other hand)

 

-       Boat people from Vietnam

After 1978 around 40 000 “boat people” accepted by Germany

 

-       Refugees across the iron curtain until 1989

 

 

-       Illegal migration from and across Eastern Europe (Russia, Romania, Bulgaria, Afghanistan, China, Africa)


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Die griechische Tragödie – Paradigmenwechsel oder Episode?

Die griechische Tragödie –

Paradigmenwechsel oder Episode?


13. Juli 2015

Ende Juni hat mich mein Banker gefragt, wie es mit Griechenland weitergehen wird. Ich habe ihm geantwortet, dass trotz der schwierigen Lage in der kommenden Woche ein Kompromiss zustande kommen wird. Dies lehre die jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Krisen der in Europäischen Union (EU).

Ich habe mich getäuscht und das hat seinen Grund:

Die Europäische Union ist in den ersten Tagen dieses Monats Juli 2015 für alle erkennbar in eine neue Phase ihrer Geschichte eingetreten. Die Erfahrungen dieser Tage sind neu:

  • Neue, bisher unbekannte Fragestellungen tun sich auf.
  • Bekannte Problemlösungsstrategien für Krisenlagen greifen nicht mehr oder nur mit quälend langer Verzögerung.

Erstmals seit Bestehen der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union hat sich ein Mitgliedstaat den ungeschriebenen, aber bisher dennoch verlässlichen Spielregeln verweigert und das Finassieren und Taktieren gegenüber den Organen der Union und der übrigen Mitgliedstaaten soweit getrieben, dass ein Kompromiss selbst den größten Optimisten nicht mehr möglich erscheint. Erst eine Maßnahme, die bisher im Umgang zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen der EU nicht üblich war, scheint die Wende zu bringen: Das Ultimatum.

Wie konnte es so weit kommen?

Die neue Regierung eines Mitgliedstaates hat, ebenfalls einmalig in der Geschichte der europäischen Zusammenarbeit, bewusst und gewollt eine bisher ungeschriebene Regel gebrochen und die Kontinuität der bisherigen Europapolitik des eigenen Landes nicht nur in Nuancen, sondern fundamental aufgekündigt.

Die Begründung dieser Regierung dafür ist nur schwer nachzuvollziehen:

Die Europäische Union, ja die gesamte EU befänden sich in einer tiefen Krise. Es mangele an Demokratie und an Solidarität. Der Mechanismus zur Bekämpfung der Finanzkrise der EU und der Budgetprobleme einiger ihrer Mitgliedstaaten sei grundlegend gescheitert. Die Probleme des eigenen Landes seien überwiegend darauf zurück zu führen und durch eine falsche Rettungspolitik nicht gelöst, sondern gravierend verschlimmert worden. Neue Hilfs- und Rettungsprogramme gegen Einsparungen seien kontraproduktiv und deshalb abzulehnen.

Die Lösung könne nur über eine fundamentale Änderung der Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten gefunden werden und diese herbeizuführen, sei das erklärte Ziel dieser Regierung. Sie wolle den erforderlichen Richtungswechsel an diesem Scheideweg erzwingen – zum Wohl Europas und seiner Bürger.

Die Heimat der „Dialektik“ hat damit den übrigen Mitgliedstaaten der EU und ihren Organen einen überraschenden, tiefgreifenden Paradigmenwechsel beschert:

Nicht der oder die, die zur Hilfe in der Lage und bereit sind, sollen das Heft des Handeln in der Hand haben und die Rahmenbedingungen der Unterstützungsmaßnahmen bestimmen, sondern der der Hilfe Bedürftige stellt Forderungen auf, unter denen er bereit ist, Hilfe zu akzeptieren. Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden, wird weitere Hilfe abgelehnt und die übrigen Mitgliedstaaten und die Organe der EU werden mit den Konsequenzen dieser verfehlten Politik konfrontiert. Die jahrelange „Erpressung“ durch sogenannte „Hilfe“ müsse ein sofortiges Ende finden. Um dieser Politik maximalen Nachdruck zu verleihen, werde man sich der ausdrücklichen Unterstützung der Mehrheit der eigenen Bevölkerung versichern. Dies sei „demokratische“ Politik im wahren Sinn des Wortes. Dieser Politikansatz solle das eigene Land nicht etwa aus der gemeinsamen Währungszone oder gar aus der EU führen. Aber beide müssten sich aber grundlegend ändern.

Noch nie in der Geschichte der europäischen Zusammenarbeit hat ein notleidender, vor dem Bankrott stehender Mitgliedstaat in derart dreister Form und mit provozierendem, ja beleidigendem Vokabular die übrigen Mitgliedstaaten der EU, deren Organe und die internationalen Geldgeber vor den Kopf gestoßen, brüskiert und herausgefordert.

Die Adressaten dieser Botschaft haben sich vor allem mit dem „Warum“ dieser Strategie beschäftigt. Als eine mögliche Antwort auf diese Frage hat sich der spieltheoretische Ansatz eines der Hauptbeteiligten aufgedrängt. Doch dies allein trägt diesen erklärt konfrontativen Ansatz nicht. Ideologisierte Politik, Elemente der Chaostheorie und Respektlosigkeit gegenüber den Interessen des eigenen Volkes treten hinzu. Denn wie könnte es anders verstanden werden, dass diese Regierung nach der Aufforderung, das Volk möge neue Rettungsprogramme ablehnen, drei Tage später eben solche Maßnahmen beantragt – entgegen einem eindeutigen Referendum?

Wie können, wie müssen die EU und ihre übrigen Mitgliedstaaten auf diese Herausforderung, ja Provokation reagieren?

Sie müssen diese Herausforderung, soll sie eine Episode bleiben, entschlossen annehmen und haben dies mit dem ultimativen Einfordern einer konstruktiven Haltung und konkreter Vorschläge eigener Maßnahmen zur Bewältigung der Krise bereits eingeleitet.

Hinzutreten muss nun dreierlei:


  • Diese neue Erfahrung zeigt, dass der Inhalt der Grundwerte der EU, wie sie in den Verträgen und der Grundrechtecharta niedergelegt sind, vor allem neuen Regierungen der Mitgliedstaaten klar und deutlich bewusst gemacht werden müssen. Dazu gehört vor allem das Prinzip der Solidarität. Wir dürfen es nicht zulassen, dass dieser grundlegende Wert der Union für eine ideologisch aufgeladene, politische Binnendiskussion als „Erpressung“ umgewertet und sogar zum Gegenstand eines verfassungsrechtlich zweifelhaften Referendums gemacht wird. Dies ist eine Verhöhnung der Bürger und Steuerzahler in den anderen Mitgliedstaaten, die ihre Hilfsbereitschaft unter Beweis gestellt haben. Und wer Solidarität einfordert, darf eben nicht – unsolidarisch – damit drohen, sich die Hilfe auch von dritter Seite zu besorgen, wenn die Rahmenbedingungen der Hilfe aus der Union nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen sollten.

Wer sich, wie in diesen Tagen geschehen, auf das Prinzip der „Demokratie“ für sein politisches Handeln beruft, sollte daran erinnert werden, dass die Verträge der EU, wie die Verfassungen aller Mitgliedstaaten, von einer rechtsstaatlich, durch Grundrechte gebundenen Demokratie ausgehen. Und das ist gut so. Denn die bindungslose Verbindlichkeit des Volkswillens könnte auch in eine rechtsstaatswidrige Diktatur des Volkes führen.

  • Was noch vor wenigen Wochen absurd erschien: Wir brauchen einen Ehrenkodex für den Umgang zwischen den Regierungen, Parlamenten, Bürgern und Medien und den Mitgliedstaaten der EU. Dabei geht es um Selbstverständlichkeiten, wie Solidität und Seriosität im Handeln, um Ernsthaftigkeit und Verlässlichkeit, oder einfacher ausgedrückt, um die ganz normale Anständigkeit im Umgang zwischen Individuen und Organen. Die Union sollte, es fällt schwer, dies auszusprechen, auch über Sanktionen bei Verletzung dieses Ehrenkodex nachdenken.
  • Schließlich müssen die EU, ihre Mitgliedstaaten und Organe aus den Erfahrungen der letzten Wochen eine wichtige Konsequenz ziehen: Wir brauchen mehr Entschlossenheit, Konsequenz, Offenheit und Prinzipientreue im Umgang miteinander. Dazu gehört auch und vor allem, dass in Zukunft nicht weiter verdrängt wird, dass die geltenden Verträge ein Ausscheiden nur aus der gemeinsamen Währungszone nicht vorsehen. Wer den EURO-Raum verlassen will, muss auch die EU verlassen!


Wer nicht bereit ist, in welchem Lebenszusammenhang auch immer, die gemeinsamen Spielregeln einzuhalten, ja sich geradezu provokativ damit brüstet, sie bewusst verletzen zu wollen, hat keinen Anspruch darauf, mit endloser Geduld, immer neuer Nachsicht und Rücksicht behandelt zu werden. Das gilt für eine Familie, das gilt für eine Gesellschaft, das gilt für eine Hausgemeinschaft.

Pacta sunt servanda! Dazu gehört, dass nicht nur Rechte in Anspruch genommen werden dürfen, sondern auch Pflichten erfüllt werden müssen. Und die dort verankerten Sanktionen, z. B. der Verlust des Stimmrechts im Rat, dürfen nicht versteckt werden. Jeder Neugierige muss wissen, dass sie bei Vorliegen der Voraussetzungen auch angewandt werden. Die Vertragstreuen müssen mehr Härte zeigen.

Europa, die EU stehen vor großen Herausforderungen in vielen Politikbereichen. Dies gilt vor allem für die Felder Beschäftigung, innere Sicherheit, Terrorabwehr, illegale Migration, Asylverfahren und die Regeln von Schengen.


In dieser Lage können wir es uns nicht leisten, dass jedes Mitglied der EU dazu übergeht, selbst, quasi souverän, zu definieren, was seine Rechte und Pflichten sind und sich die Ausnahmen davon selbst zu gewähren.

Wer sich nicht bereit oder nicht mehr in der Lage fühlt, die Obliegenheiten als Mitglied der Union voll zu erfüllen, sollte die Möglichkeit erhalten, sich – zeitlich begrenzt – aus Teilen der durch die Verträge definierten Zusammenarbeit zurück zu ziehen, um einen Austritt aus der EU vermeiden. Wir sollten also auch darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, in den Verträgen nicht nur eine vertiefte Zusammenarbeit, sondern auch eine „Flexibilität minus“, also eine verringerte Zusammenarbeit vorzusehen. Davon ausgenommen werden müssten die integralen Bestandteile der Politischen Union, also v. a. der Binnenmarkt.


Gerade vor dem Hintergrund der wohl noch in diesem Jahrzehnt anstehenden Erweiterung der EU im Bereich des Balkans, sollte die EU diesen neuen Aspekt der Erweiterungsfähigkeit überlegen.

„Europa“, etymologisch „die Frau mit der weiten Sicht“, sollte die Perspektive für diesen Kontinent und die Mitgliedstaaten der EU nicht verengen auf die Probleme, die zurzeit vom Namensgeber ausgehen. Europa und die gemeinsame Zukunft der Mitgliedstaaten der EU dürfen über den unbestreitbaren Sorgen eines schönen, kleinen, südlichen Landes nicht ins Abseits gedrängt werden.

Europäische Union

Ein Raum der Freiheit der Sicherheit und des Rechts, auch für Flüchtlinge!


22. April 2015

Der Tod so vieler Flüchtlinge auf ihrem Weg von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa setzt grenzenlose Emotionen frei. Und diese, oft überbordenden Emotionen spiegeln vor allem wider, was wir aus der Diskussion über die Flüchtlings- und Asylpolitik und das Problem der Fremdenfeindlichkeit seit Jahrzehnten kennen: Wut, Scham und Betroffenheit – jetzt aber auch Hilf- und Ratlosigkeit, Fassungslosigkeit angesichts der Dimension dieser Tragödie.


Aber Emotionen sind auch vor dem Hintergrund dieser Tragödie der falsche Ratgeber.

Wir brauchen gerade jetzt eine nüchterne und rationale Analyse der Situation. Dabei dürfen wir vor allem die Augen vor Tatsachen nicht verschließen, die auch Besorgnisse bei den Organen der Sicherheit in unserem Land, in der EU, in Europa und weltweit wecken:

  • Seit es die Flucht über das Mittelmeer nach Europa gibt, haben die Fluchtversuche nach dem Ende des Winters mit seinen Stürmen stets stark zugenommen. So auch in diesem Jahr. Neu ist aber, dass es in diesen Tagen nicht mehr nur um alte, schrottreife, überladene, nicht hochseetaugliche Fischerboote, Schlauchboote oder sonstige maritime Kleinfahrzeuge geht. Die Schiffe werden immer größer, die Anzahl der Passagiere darauf steigt massiv an.
  • Warum ist das so? Haben die Schlepper mehr Geld in ihren Händen, um sich solche Schiffe kaufen zu können, oder mehr Unterstützung, sie zu kapern? Oder stecken andere Organisationen hinter dieser Entwicklung?
  • Es beunruhigt, dass die mit Flüchtlingen überladenen Schiffe immer häufiger aus Libyen kommen. Sie kommen nicht mehr aus dem (nord)westlichen Afrika. Es ist offensichtlich, dass es in Libyen derzeit keine ernst zu nehmende staatliche Gewalt mehr gibt, das Land verschiedenen Terrororganisationen ausgeliefert zu sein scheint. Beunruhigend ist, dass der IS mittlerweile nachweisbar in Libyen und an dessen Küsten zu Europa aktiv ist.
  • Zu denken gibt, dass unter diesen Flüchtlingen immer mehr Menschen aus dem Irak und aus Syrien zu finden sind.

Wir müssen uns also der dringlichen Frage stellen, ob sich mit Beginn dieses Frühjahrs die Fluchtbewegung aus Nordafrika nach Europa nicht in ihrer Substanz und in ihrer Brisanz grundlegend verändert hat.

Dieser heiklen Frage dürfen wir auch im Angesicht der Tragödie nicht ausweichen, müssen versuchen, darauf eine Antwort zu finden.

Niemand kann bestreiten, dass die Politik der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der EU aufgerufen ist, auch nach neuen Maßnahmen zu suchen, die geeignet sind, das Leid der betroffenen Menschen zu mildern und neues Leid zu verhindern. Aber wir tragen nicht nur Mitverantwortung für die Unversehrtheit von Flüchtlingen, sondern auch für die Sicherheit unserer Bürger in der Europäischen Union und in ganz Europa.

Ich bleibe dabei: Die Europäischen Union hat sich den Friedensnobelpreis mehr als verdient. Denn die Europäische Union ist heute ein Raum der Freiheit der Sicherheit, des Rechts und wirtschaftlicher Prosperität.

Wer das bestreitet, verdrängt, dass es diese Europäische Union ist, die mit diesen Attributen attraktiv ist nicht nur für immer mehr Bewerberstaaten, sondern eben auch für Flüchtlinge – seit Jahrzehnten.

Aber es ist zuzugeben: Diese Attraktivität bringt auch eine besondere Verantwortung mit sich. Und dieser müssen wir uns jetzt stellen und müssen ihr auch gerecht werden.

Dabei dürfen wir die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Problemen nicht aus den Augen verlieren und müssen bei der Suche nach Lösungen bei den Ursachen ansetzen.

Es wäre unverantwortlich, sich nur der Frage zu widmen, wie es den durch Schlepper unterstützten Flüchtlingen leichter und vor allem ohne Lebensgefahr ermöglicht wird, nach Europa zu kommen. Damit würden wir in die Falle derer tappen, die nur nach einer emotional bedingten, wesentlichen Erleichterung ihrer ekelhaften Schleppertätigkeit trachten. Und wir würden die Gefahr vergrößern, dass mit Flüchtlingen, die um Leib und Leben fürchten, auch Rückkehrer oder aktive Terroristen aus dem Bereich des IS noch leichter, weil als Flüchtlinge getarnt, Europa erreichen und Terror in einer neuen, kaum vorstellbaren Dimension in unser Land und auf unseren Kontinent nach Europa tragen.

Es bleibt dabei:


  • Wir müssen vor allem anderen die Herkunftsländer in die Pflicht nehmen
    und sie unterstützen. In die Pflicht zu nehmen sind sie bei der unverzichtbaren Wahrung der Menschenrechte, zu unterstützen im sozialen und im wirtschaftlichen Bereich, bei Bildung und
    Ausbildung ihrer Bürger. Beides ist unverzichtbar, damit die Fluchtwilligen eine Perspektive darin sehen, in ihrem Heimatland zu bleiben.
  • Wo dies nicht zu den erforderlichen Konsequenzen führt, dürfen wir Sanktionen nichtausschließen. Denn es kann nicht hingenommen werden, dass die Herkunfts- und Transitstaaten enorme Mittel aus den nationalen und den Unionsfonds der Entwicklungshilfe erhalten und ihre Mitbürger sich selbst überlassen und letztlich in die Flucht treiben.

Überlegungen, in den Herkunftsländern bereits mit dem geordneten Verfahren für
die Einreise nach Europa zu beginnen, haben Haken:

  • Ein Asylverfahren kann im Herkunftsland nicht eingeleitet werden. Dies würde der Behauptung politischer Verfolgung von vorneherein entgegenstehen und ist in einem in Auflösung befindlichen Land, wie Libyen, auch administrativ unmöglich.
  • Wer sein Heimatland oder das Herkunftsland aus wirtschaftlichen Gründen verlassen will, muss sich den Regeln der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten zum Ausländer- und Einwanderungsrecht stellen. Dies würde auch gelten für den Fall, dass das Einreiseverfahren bereits auf nordafrikanischem Boden beginnt.

Mehr Hilfe für Schiffbrüchige ist richtig und wichtig. Aber wichtiger wäre es, Schiffbrüchigkeit von vorneherein zu vermeiden und dies ist letztlich nur in internationalen Gewässern oder - noch besser - in den nationalen Küstenregionen der Herkunftsländer möglich und erfolgversprechend. Dies setzt aber die Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer der „Seelenverkäufer“ voraus. Und dies ist nicht nur ein Problem der Europäischen Union. Dies ist ein globales Problem, bei dem auch die Vereinten Nationen eine Verantwortung tragen.

Wir müssen dafür sorgen, dass Schiffe, die selbst die kurze Strecke zwischen Nordafrika und Südeuropa nicht schadlos überstehen, aus dem Verkehr gezogen werden. Dies wird nur mit Hilfe der verantwortlichen internationalen Organisationen im Bereich der Sicherheit der Schifffahrt und der Herkunftsstaaten gelingen.

Wenn es schließlich wieder einmal um die Verteilung der in Europa angekommenen Flüchtlinge geht, so ist dies ein jahrzehntelanges, immer wieder auftretendes, aber nach wie vor ungelöstes Problem. Weder nach dem Vietnamkrieg noch nach der Öffnung der Grenzen nach Osten oder nach den Bürgerkriegen auf dem Balkan ist es uns wirklich überzeugend und befriedigend gelungen, dieses Problem zu lösen, weil es dafür keinen alle Beteiligten überzeugenden Maßstab gibt.

Und machen wir uns nichts vor: Jedes Land, das subjektiv der Auffassung war und ist, durch solche Verteilungsmechanismen überfordert zu werden, hat immer wieder Wege gefunden, sich dieser vermeintlichen Überforderung zu entledigen und wird sie auch in Zukunft finden.

Deutschland hatte im Jahr 1992 rund 450.000 Asylbegehren zu bewältigen, und nach dem Bürgerkrieg auf dem Balkan ca. 350.000 Flüchtlinge aufgenommen. In diesem Jahr ist eine Zahl von fast 500.000 Asylbewerbern nicht ausgeschlossen.

Wer jetzt, unter dem Eindruck dieser humanitären Katastrophen, auf höchster politischer Ebene für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen eintritt, darf sich nicht der Frage verweigern, ob dies die Flüchtlingsströme eindämmen oder befördern wird und muss sich auch um die Antwort kümmern, wer noch mehr schultern soll in den Städten, Gemeinden und Dörfern in unserem Land. Das ist im Übrigen nicht nur ein finanzielles und administratives, sondern auch psychologisches Problem.

Aber die Frage, wie wir mit der humanitären Katastrophe des organisierten Menschenschmuggels über das Mittelmeer umgehen, darf sich ohnehin nicht daran entscheiden, wer schließlich bereit ist, diese Flüchtlinge aufzunehmen. Denn dies ist eine Frage, die nur interne Relevanz in der Union haben darf. Sie darf unter keinen Umständen ein Argument sein für die Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union.

Es wäre ein Offenbarungseid der „Wertegemeinschaft Europäische Union“ und ein Zeichen von politischer Handlungsunfähigkeit, das Problem mit dem Argument fehlender Aufnahmebereitschaft oder -kapazität lösen zu wollen.

Flüchtlinge auf dieser Erde vor dem Hintergrund des globalen Terrorismus und weltumspannender organisierter Kriminalität - das wird zur Nagelprobe werden für die Handlungsfähigkeit, den Handlungswillen und die Entschlossenheit der internationalen Staatengemeinschaft und natürlich auch der Europäischen Union.

Die Vorschläge der Außen- und Innenminister der EU vom 21. 4. enthalten richtige Ansätze, die die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel am 23. 4. noch optimieren und in ihren Willen aufnehmen sollten.

20 Jahre Schengen

Eine Erfolgsgeschichte


25. März 2015

Am 25. März 1995 hatte der Exekutivausschuß der Schengen-Staaten in Brüs-sel beschlossen, das Schengener Übereinkommen und das Durchführungs-übereinkommen dazu in Kraft zu setzen. Seit dem 26. März 1995 konnte sich deshalb auf dem Gebiet der Europäischen Union und darüber hinaus (Norwe-gen, Island, die Schweizer Eidgenossenschaft und Liechtenstein) ein Raum der Bewegungsfreiheit ohne Grenzkontrollen im Innern und der Sicherheit an den Außengrenzen entwickeln, der das tägliche Leben der EU-Bürger leichter und sicherer und für Besucher dieses „Schengenraums“ immer attraktiver gemacht hat. Und wer behauptet, dass dieser Raum für Asylbewerber oder Flüchtlinge zu einer unüberwindbaren Festung aufgerüstet worden ist, der irrt. Denn Schengen ist auch ein Raum des Rechts, in dem die Menschenrechte garantiert sind.


Am Anfang stand eine Idee, eine Vision zweier Staatsmänner: Freie Fahrt in Europa, ohne Grenzkontrollen. Aber auch: Keine Vorteile für das Verbrechen aus dieser Freizügigkeit. Dabei bestand auch nie ein Zweifel daran, dass eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet eines Tages in der Europäischen Union aufgehen muss. Als Labor für mehr Freizügigkeit und mehr Grenzsicherheit, als "Motor" eines Europas ohne Binnengrenzen, aber mit einem effektiven Schutz seiner Außengrenzen, wurde die Schengener Zusammenarbeit zu einer Erfolgsstory der europäischen Integration.

In vielen wichtigen Politikbereichen sind die Schengen-Staaten heute schon auf einer wesentlich höheren Stufe der Integration als die Gesamtheit der EU-Mitglieder. Die polizeiliche Zusammenarbeit, das Waffenrecht, die Drogenpolitik, die gemeinsame Visapolitik und das Schengener Informationssystem sind Beispiele dafür.


Aber eine Erwartung hat sich nicht so rasch erfüllt, wie sich die Initiatoren der Schengener Kooperation das vorgestellt hatten: Es bleibt auch nach 20 Jahren Schengen auf nicht absehbare Zeit dabei, dass sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht der gesamten Schengen-Philosophie anschließen wollen. Die Kontrolle der Binnengrenzen bleibt für diese Inselstaaten weiterhin ein Teil ihres Selbstverständnisses als souveräne Staaten.


Damit stellte sich all denen, die sich dem weiteren Erfolg der Zusammenarbeit im Bereich von Freizügigkeit und Sicherheit verschrieben haben, die Frage, wie der Erfolg Schengens für die europäische Integration weiterhin und noch besser fruchtbar gemacht werden kann.


Der Vertrag von Amsterdam gab darauf eine Antwort, die nicht von Anfang an und nicht von allen Mitgliedern der Europäischen Union für richtig gehalten worden ist: Mit dem "Schengen-Protokoll" wurde die Zusammenarbeit der Schengen-Staaten in ihrem Bestand in den Bereich der EU übergeführt. "Schengen-Recht" wurde "EU-Recht". Die bisherigen Arbeitsstrukturen Schengens, z. B. der Exekutivausschuß, wurden durch die Arbeitsebenen der EU ersetzt.


Die Idee der Freizügigkeit

Am Anfang der Schengen-Idee stand der Wunsch zweier Staatsmänner, über den Abbau der Binnengrenzen nicht nur zu reden, sondern zu handeln. Der Staatspräsident der Französischen Republik, François Mitterrand, und der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Helmut Kohl, haben im Jahr 1985 an den Grenzen zwischen ihren beiden Staaten begonnen, "freie Fahrt für freie Bürger" endlich Wirklichkeit werden zu lassen. Heute, 30 Jahre später, gibt es zwischen 26 Staaten keine Kontrollen mehr aus Anlass des Grenzübertritts. Diese Kontrollfreiheit gilt für die Land- und Seegrenzen und für die Flughäfen. Damit genießt der größte Teil der insgesamt rund 500 Mio. Einwohner der EU völlige Freizügigkeit im Schengen-Raum. Millionen von Besuchern aus Drittstaaten können sich ebenfalls ohne Grenzkontrollen innerhalb dieses Raums der Freizügigkeit bewegen.


Dies ist eine der wesentlichen Errungenschaften einer schwierigen, letztlich aber erfolgreichen Politik für ein Europa ohne Grenzen. Schengen hat dabei wichtige Schrittmacherdienste auch für die Europäische Union geleistet.


Grenzsicherheit als “andere Seite der Medaille”


Schon bei der Geburt der Schengen-Idee stand fest, dass Freizügigkeit nach innen und Grenzsicherheit nach außen zwei Seiten einer Medaille sein müssen. Denn ein Verzicht auf Kontrollen aus Anlass des Grenzübertritts im Binnenraum ist nur vertretbar, wenn durch Ausgleichsmaßnahmen an den Außengrenzen sichergestellt wird, dass keine Sicherheitsdefizite eintreten.


Dabei war jedenfalls den Fachleuten von Anfang an klar, dass selbst sehr intensive Grenzkontrollen zwischen freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaaten – an Binnen- oder an Außengrenzen – keinen absoluten Schutz gegen illegalen Grenz-übertritt und grenzüberschreitende Kriminalität gewähren können.


Die Arbeit der letzten Jahrzehnte an einer der Risikolage entsprechenden Sicherung der Außengrenzen des Schengen-Raumes hat gezeigt, dass die Philosophie "Freizügigkeit durch Grenzsicherheit" nicht nur in der Theorie richtig, sondern auch in der Praxis durchsetzbar ist.


Denn die Schengen-Gemeinschaft hat, auch unter sehr schwierigen Rahmenbedin-gungen und sogar nach der sicherheitspolitisch sehr heiklen Osterweiterung der EU, den Nachweis erbracht, dass es, trotz sehr unterschiedlicher Ausgangslagen, möglich ist, die Voraussetzungen für eine effektive und effiziente Sicherung der Außengrenzen zu schaffen. Für Personal und Ausstattung an den Grenzen sind dafür Haushaltsmittel in Milliardenhöhe bereitgestellt und ausgegeben worden. Einige Mitglied-staaten mussten die Organisation ihres Grenzschutzes grundlegend ändern, was auch den Aufbau völlig neuer Einheiten für die Grenzsicherung umfasste.


Die praktischen Erfahrungen mit dem Schengener Grenzregime in den letzten 20 Jahren zeigen, dass – trotz aller Anstrengungen der Mitgliedstaaten – in verschiedenen Bereichen noch erhebliche Verbesserungen notwendig sind. Besonders wichtig ist aber die Erkenntnis, dass sich die Fragen der Grenzsicherheit immer wieder neu und in immer neuen Varianten stellen und deshalb eine ständige Anpassung der Maßnahmen an die sich laufend verändernde Risikolage notwendig ist.
Dies gilt vor allem für die Philosophie und die Organisation der Grenzsicherheit an den südlichen Grenzen des Schengenraums, also vor allem gegenüber den Staaten Nord- und Westafrikas.


Weder bei der Geburt der Idee von Schengen im Jahr 1985, noch bei der Implementierung der Schengenidee vor 20 Jahren konnten sich die damals handelnden Politiker vorstellen, welchen ganz unterschiedlichen Herausforderungen sich die Organe der Außengrenzsicherung in diesem schwierigen geografischen Gebiet heute stellen müssen:


  • Asylbewerber z. B. aus Syrien, Wirtschaftsflüchtlinge aus dem nördlichen Westafri-ka, die von immer skrupelloser agierenden Schleuserbanden missbraucht werden und die Rückkehr von europäischen IS-Sympathisanten oder -unterstützern. Grenzsicherung im Mittelmeer wird damit zu einem täglichen Dilemma:
    Die notwendige Abwehr von kriminell organisierter illegaler Migration gerät in Kollision mit den Geboten der Humanität, Schiffbrüchige zu retten, aus welchen Gründen auch immer sie sich in diese Gefahr begaben haben mögen.
  • Die Durchsetzung des Grundsatzes, dass Asylbewerber dort einen Antrag auf Schutz vor politischer Verfolgung zu stellen haben, wo sie das erste Mal die Außengrenzen des Schengenraums überschreiten, scheitert häufig an den limitierten administrativen Möglichkeiten oder am begrenzten politischen Willen dieser Länder.
  • Die Offenheit für die rückkehrenden desillusionierten IS-Kämpfer wird in Frage gestellt durch den berechtigten Verdacht, dass „trojanische Pferde“ des Terrors unter dem Deckmantel des Asylrechts über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen.


Diese Herausforderung stellt aber nicht die Philosophie von Schengen in Frage, die nach wie vor richtig ist. Wir waren auch vor der großen Osterweiterung der EU mit ähnlichen Dilemmata konfrontiert und hatten zu Recht den Mut, trotz aller Risiken den einmal eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.


Aber richtig ist, dass bei der täglichen Umsetzung dieser Idee die veränderten Verhältnisse berücksichtigt werden müssen. Und das heißt mehr denn je, dafür zu sorgen, dass der stetig steigende Druck auf die Außengrenzen dieses Raumes in harten Verhandlungen mit den Regierungen der Herkunftsstaaten und durch entschlossenes Vorgehen gegen die Schleuserbanden eingedämmt wird.


Die Menschenrechte von Flüchtlingen dürfen dabei und werden dabei nicht geschmälert werden. Aber wir dürfen Menschenrechte nicht in kleine Münze schlagen und nicht zulassen, dass sie argumentativ missbraucht werden.


Denn es gibt eben kein (Menschen-)Recht auf die freie Wahl des Landes, in dem jemand Schutz vor (behaupteter) politischer Verfolgung beantragt und keinen Anspruch darauf, dorthin (auch illegal) zu gelangen und dann dort zu leben, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse besser sind als im Heimatland.


Das Schengener Informationssystem (SIS) – Herzstück der Zusammenarbeit


Keine andere Maßnahme macht den Fortschritt in der Zusammenarbeit der Schengen-Staaten auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit im Allgemeinen und der Grenzsicherheit im Besonderen so augenfällig, wie das Schengener Informationssystem. Dieses Fahndungssystem der Schengen-Staaten ist auf dieser Erde einmalig. Noch vor wenigen Jahren wäre es unvorstellbar gewesen, dass Millionen von Datensätzen der Sach- und Personenfahndung zur gleichen Zeit an tausenden von Grenzübergängen Zehntausenden von Grenzpolizeibeamten online zur Verfügung stehen. Diese Datenbank hat auch in jüngster Zeit zu wichtigen Fahndungserfolgen im Kampf gegen den Terror beigetragen.


Die gemeinsame Visumpolitik


Freizügigkeit in einem Raum ohne Binnengrenzen setzt voraus, dass die Bedingungen, unter den auch Drittausländer legalen Zutritt zu diesem Raum erhalten können, möglichst gemeinsam geregelt werden. Deshalb stand die gemeinsame Visumpolitik von Anfang an auf der Agenda der Schengener Zusammenarbeit. Die Bilanz auf diesem Feld ist – bei aller Notwendigkeit, die Zusammenarbeit und Harmonisierung weiterzuführen und zu vertiefen – insgesamt recht beachtlich:


Die Reisenden erfahren die mit den Schengen-Visa gegebene Freizügigkeit für das Gebiet aller Schengener Anwenderstaaten als spürbare Erleichterung. Vergleichbare Regelungen gibt es auch für die in den Schengen-Ländern legal wohnhaften Dritt-staatsangehörigen. Die Aufenthaltstitel gelten, wie ein Visum für den Reiseverkehr, innerhalb des gemeinsamen kontrollfreien Binnenraumes.


  • Das Schengener Visumreglement beruht auf
    der gemeinsamen Liste der Länder, deren Staatsangehörige der Visumpflicht unterliegen,
  • einer Angleichung der Antrags-, Prüfungs- und Entscheidungsmodalitäten für die Ausstellung der Visa und
  • der Verwendung der gegen Fälschungen und Verfälschungen gesicherten Visummarke.


Der richtige Ansatz des Schengener Durchführungsübereinkommens beweist sich auch in der gegenseitigen Vertretung der Schengener Staaten bei der Visumerteilung in Drittstaaten, in denen nicht alle Vertragsstaaten Konsulate unterhalten. Auch hier ergeben sich Vorteile für den Visumbewerber, da er nicht mehr in einem Nachbar-staat das Visum beantragen muss, sondern dies in seinem Heimatstaat, bei einer anderen Schengen-Vertretung erledigen kann. Dies sind wichtige Vorstufen für die in der Zukunft ins Auge gefassten gemeinsamen Visumstellen.

Auch die Bemühungen der Schengener Staaten zur weiteren Harmonisierung der Antrags-, Prüfungs- und Entscheidungsmodalitäten in den Konsulaten sind ein richtiger Schritt. Denn es muss verhindert werden, dass Antragsteller Visa in Konsulaten einiger Schengen-Staaten schneller oder leichter erhalten als in anderen. Es geht also darum, dem sogenannten "Visa-Shopping" entgegenzutreten.

Dringend notwendig sind der weitere Ausbau und die Vertiefung des Informationsaustausches. Die Einrichtung gemeinsamer Dateien zur Erfassung der Antragstellung, der Erteilung und der Versagung von Visumanträgen ist eine richtige Lösung.


Asyl – Die Bewährungsprobe für die Schengener Idee


Durch den Wegfall der Binnengrenzkontrollen zwischen den Schengen-Staaten können sich Asylbewerber ohne Kontrollen von einem Vertragsstaat in den anderen begeben. Um zu vermeiden, dass Ausländer durch Asylanträge in mehreren Vertragsstaaten das Asylrecht missbrauchen, hatten die Schengen-Staaten Zuständigkeitsregelungen für die Behandlung von Asylbegehren geschaffen. Ziel dieser Regelungen war es außerdem, jedem Asylbewerber, der sich im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten aufhielt, die Prüfung seines Asylantrags zu gewährleisten und eine ausgewogenere Verteilung der Asylbewerber auf die Vertragsstaaten zu erreichen.


Deshalb sollte jeweils nur ein Schengen-Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein. Dieser Staat wurde auch verpflichtet, den Asylbewerber ggf. von einem anderen Mitgliedstaat zu übernehmen.


Der im SDÜ aufgestellte Kriterienkatalog für die Zuständigkeit beruht auf der Grundüberlegung, dass der Staat, der die Einreise des Asylsuchenden in das Schengen-Gebiet zu verantworten hat, die Durchführung des jeweiligen Asylverfahrens über-nehmen muss.


Dies wird anschaulich belegt durch die Erfahrungen mit dem Zustrom von irakischen Kurden, der am Jahresbeginn 1997, also noch unter Geltung des SDÜ, einsetzte. Dieser überwiegend von Schleusern in das Vertragsgebiet gebrachte Personenkreis reist vorwiegend über die Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich nach Deutschland ein. Dabei zeigt sich, dass das in der Praxis wichtigste Kriterium für die Bestimmung der asylrechtlichen Zuständigkeit – das Überschreiten der Außengrenze – nur in den seltensten Fällen nachweisbar ist, weil die Asylbewerber ihre Reisewege häufig bewusst verschleiern und einen Asylantrag erst in dem Land ihrer Wahl, sehr häufig in Deutschland, stellen. Die Führung dieses Nachweises ist umso schwieriger, je weiter die Dublin-Außengrenze von dem Zielstaat der Asylbewerber entfernt ist.


Gemeinsame Drogenpolitik oder nur gemeinsame Polizeiarbeit gegen den Drogen-missbrauch?


Die Verträge von Schengen können für eine gemeinsame Drogenpolitik nur begrenzt in Anspruch genommen werden. Darauf weisen einige Mitgliedstaaten zu Recht hin. Aber unbestritten ist, dass sich die Zusammenarbeit der Schengener Staaten auf diesem Gebiet nicht darauf beschränken darf, die grenzüberschreitenden Folgen der drogenrelevanten Verhältnisse polizeilich zu bekämpfen.


Die Risikolage auf dem Gebiet des Drogenhandels gebietet es, in einer möglichst engen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor allem die Produktion, das Angebot und die Verteilung von synthetischen Drogen aufzuklären. Dies gilt auch für die Staaten des östlichen Mitteleuropa, die auf diesem Gebiet eine immer größere Rolle spielen.


Da der Wegfall der Binnengrenzkontrollen auch zur Folge hat, dass sich die Drogenpolitik eines Schengen-Staates unmittelbar auch auf andere Schengen-Staaten auswirkt, sollte die Zusammenarbeit zwischen den Schengen-Staaten im Betäubungsmittelbereich von anderer besonderer Qualität sein. Neben eine intensive grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit im Drogenbereich muss deshalb auch eine Angleichung der nationalen Drogenpolitiken und der nationalen Drogengesetzgebung treten. Die Bilanz der Schengener Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ist wegen der tiefgreifenden Differenzen in der Kompetenzfrage negativ und unbefriedigend.


Wollen und Können


Die “Schengener Philosophie” fußt auf der doppelten Zielsetzung von Freizügigkeit und Sicherheit. Personenkontrollen an Binnengrenzen abzuschaffen, setzt das tat-sächliche Funktionieren der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen voraus. Der Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen gegenüber Schengener Partnern und später gegenüber neuen Mitgliedern der Europäischen Union ist deshalb nur zu verantworten, wenn und soweit diese Staaten ihre Verpflichtungen bei der Kontrolle und Sicherung der Außengrenzen nicht zu akzeptieren, sondern sie auch – mitverantwortlich für die übrigen Teilnehmerstaaten des Schengener Verbundes – tatsächlich erfüllen.


Die Fähigkeit zur Teilnahme am Schengener Informationssystem als einer der wesentlichen Ausgleichsmaßnahmen für den Abbau der Binnengrenzen sowie weitere Voraussetzungen treten hinzu. Erst wenn ein Beitrittsstaat nachgewiesen hat, dass er diese Voraussetzungen nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich erfüllt, kommt eine praktische Teilnahme am europäischen Freizügigkeits- und Sicherheitsverbund in Betracht.


Im Schengener Rahmen wird die Verfolgung beider Zielsetzungen durch die sog. “Inkraftsetzung” des SDÜ für den jeweiligen Staat sichergestellt. Dieses Instrument ist auch nach der Überführung Schengens in die EU nicht obsolet geworden. Es bleibt eine unverzichtbare fachliche Hürde, die von allen Schengen-Mitgliedern genommen werden muss.


Es wäre fatal, wenn die Erfolgsgeschichte von Schengen durch Nachlässigkeiten auf der Basis eines nicht zu rechtfertigenden politischen Rabatts gefährdet würde.

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Border security

The “Schengen-Cooperation” according to the Lisbon Treaty


25. März 2015

The lifting of the iron curtain, which had divided the European Continent for more than half a century, gave us the chance to reunite Europe in freedom, security and justice, and to enlarge the European Union.2

It was a long way from the Treaties of Rome in 1957, with a European Community of only 6 Member States, to the recent “Lisbon Treaty”3, with a European Union of 27 Member States. The Lisbon Treaty was a further step in deepening the European Union. And this will not be the end of this process of integration of States and Nations, which is without example in human history.

The Lisbon Treaty has migration policy defined as a competence of the European Union shared with the Member States. The policy of the European Union in this area is based on three pillars:

  • The promotion of legal migration,
  • The fight against illegal migration and
  • The link between migration and development. 

The Union pursues these objectives on the firm basis of full respect of human rights.

We should not forget that the European Union and its Member States more than 50 years ago was a pioneer of for instance the social security of migrant workers:

In 1958, the European Council issued two regulations on social security of migrant workers which were subsequently superseded by regulations4. Nationals from Iceland, Liechtenstein and Norway are also covered via the European Economic Area (EEA) Agreement.

What does the “Schengen Border Regime” mean? It simply means to abolish internal border controls and to intensify border checks at the external borders of the Schengen area.

Since a couple of years you can travel by car from Helsinki to Lisbon without any passport controls and you can leave Frankfurt Airport to Athens by plane without border controls and just an identity check by the airline. Border controls by State authorities just take place if you leave or enter the “Schengen Area”.

1Artikel in “Voices of Mexico”, Heft 93, 2012.

2The precondition for this historical operation was to make the European Union fit for opening its doors for 12 new Member States. “Fit” in this context means,

  • To facilitate and accelerate the decision-making-process in the Community and in the Union,
  • To make clear, which competences have to be located on European level and which competences have to be dealt with by the Member States and
  • To improve the democratic legitimacy of the various bodies of the Community and of the Union.

3 Which came into force December 2009.

4 Regulation 1408/71, supplemented by implementing Regulation 574/72.


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Dienstbereitschaft und richterliche Unabhängigkeit*

* Rede vor der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam anlässlich des „Jour fixe“ am 02. November2000

Ich bedanke mich bei der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam und ihren Freunden und Förderern dafür, dass ich die Auftaktveranstaltung des „Politischen Jour fixe“ eröffnen darf. Ich freue mich darüber, dass damit eine Idee, mit der ich schon bei einigen juristischen Fakultäten „angeklopft“ habe, jetzt an unserer Universität in der Landeshauptstadt verwirklicht wird. Sie widerlegen damit die Vorstellung, dass sich die Universität – politikfern – in einem Elfenbeinturm der reinen Wissenschaftlichkeit ver-schanzt.


Der „Jour fixe“ soll ein möglichst aktuelles Thema zum Gegenstand haben. Deshalb möchte ich über "Dienstbereitschaft und richterliche Unabhängigkeit" sprechen.

Lassen Sie mich mit einem Ausschnitt aus der täglichen Praxis des Justizministers beginnen:


- Der Petitionsausschuss des Landtages bittet den Justizminister, zur Eingabe eines Bürgers Stellung zu nehmen, der sich über einen Richter beschwert.

- Ein Bürger schreibt an den Justizminister, er möge sich einmal die Akten in seiner Grundstücksangelegenheit vorlegen lassen.

- Eine Mutter schreibt an den Justizminister, er soll sich für ihren inhaftierten Sohn einsetzen.

- Ein Notar bittet den Justizminister, eine bestimmte Grundbuchsache rascher bearbeiten zu lassen.

- Ein Handwerker bittet den Justizminister, die Terminierungspraxis eines bestimmten Gerichts zu überprüfen.

- Ein Abgeordneter spricht den Minister der Justiz in einer Strafsache an, mit der Bitte, sich die Sache einmal anzuschauen.


Sechs Sachverhalte, so geschehen – der eine hundertfach, der andere mehrfach. In allen Fällen haben Bürger dieses Landes den Justizminister gebeten, als Sachwalter für die Dienstbereitschaft einer Justiz tätig zu werden, die durch unsere Verfassung zu einem zügigen Verfahren angehalten wird.

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Für einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Schengen auf dem Weg in eine erweiterte Europäische Union

Am Anfang stand eine Idee, eine Vision zweier Staatsmänner: Freie Fahrt in Europa, ohne Grenzkontrollen. Aber auch: Keine Vorteile für das Verbrechen aus dieser Freizügigkeit. Da- bei bestand auch nie ein Zweifel daran, dass eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet eines Tages in der Europäischen Union aufgehen muss. Als Labor für mehr Freizügigkeit und mehr Grenzsicherheit als "Motor" eines Europas ohne Binnengrenzen, aber mit einem effektiven Schutz seiner Außengrenzen, wurde die Schengener Zusammenarbeit zu einer Erfolgsstory der europäischen Integration.

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For an area of freedom, security, and justice – Schengen on the way to an enlarged European Union

In the beginning there was an idea, a vision of two statesmen: free travel in Europe, without border controls. But also: no benefits for the crime from this freedom of move- ment. There has never been any doubt that cooperation in this area will one day have to be absorbed into the European Union. As a laboratory for more freedom of move- ment and more border security, as the "engine" of a Europe without internal borders, but with effective protection of its external borders, Schengen cooperation has become a success story of European integration.

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Das Dubliner Übereinkommen im Praxistest

Wenn wir heute über einen Beschluss und das Aktionsprogramm zum Dubliner Übereinkommen beraten, dann sprechen wir zugleich über die in den vergangenen Monaten deutlich zu Tage getretenen schwerwiegenden Defizite beim Vollzug dieses Vertrages. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass ein zwischenstaatliches Übereinkommen in den ersten Monaten seiner Umsetzung Probleme bereitet. Die Mängel dieses Übereinkommens sind aber, das zeichnet sich schon jetzt ab, zum größten Teil grundsätzlicher Art.


Die deutsche Delegation hat hierauf in ihrer Notiz zur Anwendung des Dubliner Übereinkommens vom März dieses Jahres hingewiesen. 

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The Dublin Convention put to the test in practice

Today, when we are debating a decision and the action programme for the Dublin Convention, we are also talking about the serious shortcomings in the implementation of this Treaty that have come to light in recent months. True, it is not uncommon for an intergovernmental agreement to cause problems in the first months of its implementation. However, as is already becoming apparent, the shortcomings of this convention are for the most part of a fundamental nature.



The German delegation referred to this in its note on the application of the Dublin Convention of March of this year.

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Refugee return – when and how?

Herzlichen Dank für die Einladung zu dieser Konferenz. Ich freue mich, heute in diesem Kreis zu einem Thema sprechen zu können, das zur Zeit von besonderer Aktualität und Bedeutung ist: Zur Frage der Rückführung von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien.


Diese höchst komplizierte und natürlich auch mit Emotionen belastete Problematik war bereits Thema einiger bedeutender internationaler Konferenzen. So hat der UNHCR am 16. Januar 1996 in Genf erste Überlegungen für einen Rückführungsplan vorgestellt und diese in Oslo am 8. März 1996 durch Vorlage eines Operationsplans konkretisiert.

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Refugee return – when and how?

Thank you very much for inviting me to this conference. I am pleased to be able to speak today on a subject that is particularly topical and important now: the question of the repatriation of refugees from the former Yugoslavia.



This extremely complicated and emotionally charged issue has already been the subject of several important international conferences: On 16 January 1996, the UNHCR presented initial proposals for a repatriation plan in Geneva and presented them in Oslo on 8 March 1996 by the submission of an operational plan.

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Das Grundrecht auf Asyl

1994

Vorwort

Diese Rede aus dem Jahr 1994 könnte heute wieder gehalten werden – mit geringen Änderungen in den Zahlen und einer etwas anderen Gewichtung der einzelnen Fakten. Denn die Probleme haben sich nicht grundlegend zum Besseren gewendet, eher im Gegenteil. Viele Erwartungen haben sich nicht erfüllt, manche guten Aussichten verdunkelt:

  • So ist die Anzahl derer, die in unserer Zeit ihr Leben aufs Spiel setzen, um auf beschwerlichem Landweg und lebensgefährlichem Seeweg Europa zu erreichen, massiv angestiegen.
  • Die ständig weiter wachsenden Aktivitäten von einzelnen oder bandenmäßig agierenden Schleppern sind noch brutaler geworden.
  • Die Idee des Dubliner Abkommens scheitert an der Realität: Dem unbedingten Willen der Asylbewerber, selbst zu bestimmen, wo sie zukünftig leben wollen und der nachhaltigen Weigerung der Partner dieses Abkommens, ihre Pflichten zu erfüllen, vor allem bei ihnen eingereiste Asylbewerber zurückzunehmen.
  • Die notwendige Anpassung der Liste der sicheren Herkunfts- und Drittstaaten an die Realität scheitert in unserem Land an politischer Verweigerung. Und die Absicht, nicht bleiberechtigte Personen rasch und in großer Zahl auszuweisen und abzuschieben, scheitert immer wieder an dem fehlenden politischen Mut und oft an faktischer Unmöglichkeit, weil Betroffene und Herkunftsstaaten ihre Mitwirkung verweigern.
  • Der Abschluss von Rückübernahmeabkommen geht nur schleppend voran.
  • Amnesie und Realitätsverweigerung sind die größten Feinde guter, richtiger Politik, Das gilt vor allem für den Bereich Migration und Asyl. Wir müssen uns ehrlich machen und mit den Ängsten der Bürger ehrlich umgehen: Der Missbrauch des Asylrechts ist mit den Mitteln einer rechtsstaatlichen Demokratie nicht vollständig zu beenden. Aber wir müssen uns ständig, mit Mut und Geduld um seine Eindämmung bemühen.
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Der demokratische Rechtsstaat – Garantien, Risiken und Herausforderungen

1994

Die Idee des demokratischen Rechtsstaats ist in den letzten Jahren in vielen, in zu vielen Staaten in Bedrängnis geraten durch Populisten, Anhänger von Verschwörungstheorien, Sympathisanten links- oder rechtsradikaler Ideologien, Nationalisten oder bekennende Verfassungsfeinde. Der Nährboden dafür waren internationale Krisen oder globale Katastrophen, wie die Finanzkrise 2008, die Flüchtlingskrise 2015 oder die COVID-Pandemie zu Beginn dieses Jahrzehnts.


Dabei ist in den Hintergrund gedrängt worden, dass die Garantien des demokratischen Rechtsstaats nicht nur gegen diese systemkritischen, ideologiebasierten Bedrohungen von Innen und von Außen, verteidigt werden müssen, sondern auch täglichen Bedrohungen durch die Gesellschaft und ihrer Akteure ausgesetzt sind: Gleichgültigkeit, Politikverdrossenheit, Entsolidarisierung und allgemeine oder organisierte Kriminalität sind die heimlichen Herausforderungen und Risiken des demokratischen Rechtsstaats.


Dem war das nachfolgende Statement bei einem Treffen von ehemaligen Stipendiaten der Hanns-Seidel-Stiftung in Santiago de Chile im März 1994 gewidmet.

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Polen im europäischen Integrationsprozeß

Heute in einer Woche wird der Staatspräsident der Republik Polen in München zu Gast zu sein. Heute sind wir zu Gast in Warschau, um über Polen und Deutschland im neuen Europa zu sprechen.


Als Deutscher über Aufgaben und Verantwortung der Republik Polen im europäischen Integrationsprozeß zu sprechen, löst zunächst einige Beklommenheit aus: Sind wir Deutsche wirklich berufen, der Republik Polen Ratschläge zu geben? Soll, ja kann ein Angehöriger der deutschen Nachkriegsgeneration unseren Freunden in Polen sagen, was zu tun ist in einer schicksalhaften Epoche ihres Volkes? Und was kann gerade ein Vertreter des Freistaates Bayern zu diesem Thema beitragen, der Vertreter eines Landes, das keine gemeinsame Grenze, keine bilateralen Probleme und in der Geschichte, kaum Berührungspunkte mit Polen hat?

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Poland in the process of European integration

Today, in a week's time, the President of the Republic of Poland will be a guest in Munich. Today, we are in Warsaw to talk about Poland and Germany in the new Europe.


To speak as a German about the tasks and responsibilities of the Republic of Poland in the process of European integration, causes some apprehension at first: Are we Germans really called upon to give advice to the Republic of Poland? Should a member of the German post-war generation tell our friends in Poland what to do in a fateful epoch of their people? And what can a representative of the Free State of Bavaria contribute to this issue, the representative of a country that has no common border, no bilateral problems and, historically, hardly any points of contact with Poland?

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The European Union as a Cultural Society – Progress or wrong track?

European culture is the result of a long history. Because of its rich experiences European culture has for a long time been highly attractive to the rest of the world. But what is the actual role of European culture in the world today? And what is the significance of cultural topics in the life of the European people?

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Föderalismus und Subsidiarität –

Architekturprinzipien eines geeinten Europa

22. Sep. 1990

"Diese Bundesrepublik Deutschland steht vor einer Herausforderung, der gegenüber selbst die Aufgaben und Weichenstellungen vor 40 Jahren vielleicht verblassen: Diese Herausforderung heißt Europa!"


Diese Sätze von Franz Josef Strauß sind - bis auf einen Tag genau - zwei Jahre alt: Am 21. September 1988, beim Festakt "40 Jahre Verfassungskonvent Herrenchiemsee", hat dieser leidenschaftliche Bayer, dieser deutsche Patriot und große Europäer sein letztes Bekenntnis zu

Europa formuliert. Zwei Wochen später - am 3. Oktober 1988 - war er tot.


Seine Prophezeiung hat sich rascher und auf eine andere Weise, ja in einer anderen Dimension erfüllt als er es wohl erwartet hat:

Die "Herausforderung Europa" kam aus dem Osten, nicht aus dem Westen. Der "Ostblock" existiert nicht mehr. Der "Eiserne Vorhang", Mauer und Stacheldraht mitten durch die Mitte Europas sind verschwunden. Europa ist größer geworden. Geographie und Politik verwenden

wieder dieselben Begriffe.


Franz Josef Strauß hat das nicht mehr erlebt und - welch eine Regie - an seinem zweiten Todestag, am 3. Oktober 1990, wird sich die deutsche Einheit vollenden. Wir, die Deutschen, haben allen Anlass, unseren Partnern in der EG zu danken. Wir haben Dank zu sagen für die Unterstützung und den Vorschuss an Vertrauen bei einem Einigungsprozess, dessen Geschwindigkeit wir nicht bestimmen konnten.


"Die EG begrüßt die deutsche Vereinigung".

Diesen Satz haben wir in fast allen offiziellen Dokumenten lesen dürfen. Das konnte noch vor einem Jahr niemand erwarten.


16 Länder werden den neuen deutschen Bundesstaat bilden. Deutschland bleibt also föderalistisch. Es wird keinen deutschen Zentralstaat geben. Niemand wollte es anders. Und wir in Bayern sind besonders froh darüber. Denn kein anderes Land in Deutschland kann eine so tief verwurzelte, in einer mehr als 1000-jährigen Geschichte gewachsene Eigenstaatlichkeit in diesen Bundesstaat einbringen.


Dies gibt uns auch die Kraft, die "Herausforderung Europa" mutig und entschlossen anzunehmen. Und dabei wissen wir, daß Europa mehr sein muss als ein Binnenmarkt ohne Grenzen.


Für die Bayerische Staatsregierung ist die politische Einigung Europas die wichtigste Voraussetzung für eine dauerhafte europäische Friedensordnung in Freiheit. Die Staatsregierung wird deshalb auch künftig die Entwicklung der EG in Richtung auf eine Europäische Union nach besten Kräften unterstützen.


Wir wissen, daß ein größeres Deutschland nicht "automatisch" größere Ansprüche hat, Rechte geltend machen kann aber: größere Verantwortung übernehmen muss - auch für die Strukturen der Gemeinschaft. Und da beginnen unsere Sorgen:

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